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Beitrag vom 04.07.2013
Alin Coen Band – We´re not the ones we thought we were. Konzert am 6. September 2013 in Berlin
Veronika Siegl
Mit dem neuen Album der vierköpfigen Band aus Weimar werden die Klänge dunkler, die Melodien sphärischer und die Texte erwachsener. Dennoch bleibt das Träumerische in den Popsongs erhalten, die...
... von der mal klaren, mal hauchigen Stimme der Frontsängerin und den sanften Melodien der Instrumente getragen werden.
Hamburg, Osttimor, Schweden, Weimar, Kanada
Musik spielte schon immer eine große Rolle im Leben von Alin Coen. Die gebürtige Hamburgerin lernte seit dem sechsten Jahr Klavier und sang im Schulchor, vom Elternhaus kamen vor allem klassische Einflüsse. Das Gitarrespielen und Liederschreiben entdeckte sie erst nach der Schulzeit, als sie ein halbes Jahr in Schweden auf einem Bauernhof zum Kindersitten verbrachte. Längere Zeit verbrachte sie auch in Indien und bei einer Familie in Osttimor.
Später zog es sie nach Weimar, wo sie Umweltschutztechnik studierte und ihre Bandkollegen in spe – Philipp, Jan und Fabian – kennen lernte. Die Teilnahme am Popcamp des Deutschen Musikrates 2008 katapultierte die Gruppe sogleich an die Öffentlichkeit. Es folgten Touren in Kanada (2008) und Deutschland (2009), zum Teil als Vorgruppe für Philipp Poisel, Regina Spektor und Amos Lee, ein paar Jahre später auch für Sting. 2011 erhielt die Band den Deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie Nachwuchsförderung – eine große Würdigung ihrer Arbeit.
Selbstfindung
Die Alben der Alin Coen Band werfen Fragen auf. Direkte und indirekte. Mit dem Titel des ersten Albums "Wer bist du?" (2010) wendeten sich die vier Musiker_innen an ihre Hörer_innenschaft, der Titel des zweiten Albums – "We´re not the ones we thought we were" – klingt eher nach Selbstreflexion. Dabei ist es genau anders herum. In einem Videointerview ihres Labels "modul" erzählt die Sängerin, das Debutalbum sei eine Art intime Introspektive gewesen, während das aktuelle Projekt mehr nach außen tritt und Themen aufgreift, die sie aktuell in ihrer Umwelt wahrnimmt. Auf ihrer Homepage verrät die Band, dass der Titel "als Statement eines ganzen Lebensgefühls" gelesen werden sollte – "Die neuen Songs treffen auf Herz und Verstand einer Generation, die sich noch finden will und stetig auf der Suche ist."
Vom Ich zum Wir
Der Richtungswechsel im neuen Album ergibt sich wohl nicht zuletzt dadurch, dass die Band diesmal zusammen komponiert hat und die Lieder über die Jahre verteilt im Laufe zahlreicher Jamsessions entstanden sind. Mit den Texten möchte die Band "den Finger in die Wunden der Gesellschaft" legen.
So thematisieren die Tracks unter anderem die Entfremdung von Mensch und Produkt im Kontext globalisierter ungleicher Arbeitsprozesse – "we see inequality, it´s so clear / but scrutinising´s not in vogue here" –, Krieg und Patriotismus sowie sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen.
"Just because I want to wear a skirt or even if I´m ready for a little flirt / it doesn´t mean you can decide on me how far I´m ready to take, but surely you do agree that a no is a no is a no, would you please let me go",
singt Alin Coen in einem der eindringlichsten Lieder des Albums, zu dem es auch ein wunderbar gemachtes Musikvideo gibt. Gleiches gilt für das schwarzweiß-Video von "Kites", einem Song, der auf dem Klangteppich einer gezupften Gitarre und einem zarten Beat zu schweben scheint. In dem Lied geht es um die Zerrissenheit zwischen dem Wunsch nach Unabhängigkeit und nach Stabilität:
"Let me be free to rise up and drift, but hold on to what I´m tied to / and bring me home."
Ein ähnliches Gefühl greift Alin Coen im fast experimentell gearteten, von Streichinstrumenten durchzogenen "Du drehst dich" auf. Es geht um Entscheidungen, die im Leben getroffen werden müssen und die Unentschlossenheit und Angst, den falschen Weg einzuschlagen.
Der Klang der Internationalität
Im Gegensatz zum Vorgänger sowie zu der 2011 erschienen EP "Einer will immer mehr" sind auf dem neuen Album fast alle Texte auf Englisch. "Ich singe auf Deutsch und auf Englisch verschiedene Melodien, und das hat bestimmt mit dem Klang der Sprache an sich zu tun" so die Sängerin gegenüber dem Blog "alternativmusik". Auch im Interview mit AVIVA anlässlich ihres Debutalbums sprach sie in diesem Zusammenhang von einer "unbewussten musikalischen Entscheidung". Lieder auf Spanisch – der Muttersprache ihres mexikanischen Vaters – finden sich noch nicht auf dem Album, könnten aber folgen, meinte Coen bereits 2010 gegenüber AVIVA.
Am 6. September 2013 tritt die Alin Coen Band als Support für Philipp Poisel im IFA Sommergarten in Berlin auf.
AVIVA-Tipp: Die Erkenntnis, doch anders zu sein als ursprünglich gedacht, hat ein Album hervorgebracht, das viel an musikalischer und textlicher Tiefe gewonnen hat, ohne gleichzeitig an Leichtigkeit und Schwerelosigkeit zu verlieren. Ob sich die Band nun "gefunden" hat oder weiterhin experimentierfreudig bleibt, wird sich spätestens mit dem nächsten Album herausstellen.
Alin Coen Band
We´re not the ones we thought we were
Label: Modul Entertainment GmbH
VÖ: 28. Juni 2013
www.modulmusik.com
Die Alin Coen Band im Netz:
www.alincoen.com
Auf Myspace und auf Facebook
Weitere Informationen finden Sie unter:
Alin Coen Band in Berlin – Ein Interview (redcarpetreports.de)
Interview mit Alin Coen (alternativmusik.de)
Alin Coen Band - A No Is A No (offizielles Video)
Alin Coen Band - Kites (offizielles Video)
Leise Töne sind ihre Stärke (Deutschlandradio)
Alin Coen Band – EPK (Videointerview ihres Labels "modul")
Weiterlesen und -hören auf AVIVA-Berlin:
Interview mit der Alin Coen Band
Alin Coen Band - Wer Bist Du
Alin Coen Band - Einer will immer mehr